Krank im Paradies

Krank im Paradies

2021, Blauwasserleben, Gesundheit, Curaçao
Zum Glück entscheidet sich mein Blinddarm schon in der Karibik das Schiff zu verlassen.

Bauchschmerzen

Allan kocht wiedermal ein feines Curry mit Kochbananen von der Insel. Nach dem Essen bin ich einfach nur froh, dass ich mich hinlegen kann. Ich schlafe die Nacht nur mässig gut und fühle mich am Morgen unwohl. Naja, das gibt es ab und zu, insbesondere wenn sich da der Monatszyklus bei mir bemerkbar macht. Ich habe grossräumige diffuse Bauchschmerzen, aber nur schwach. Doch heute krieg ich es nicht auf die Reihe zu Arbeiten. Ich liege im Cockpit herum, höre dem Kreischen der Papageien zu und gehe vermutlich Allan auf die Nerven.

Irgendwas stimmt da nicht, es wird einfach nicht besser. Abendessen ? Fehlanzeige, das finde ich nicht toll, also ab ins Bett. Jetzt geht es aber los mit den Schmerzen im unteren rechten Bauch. Puh, die sind heftig. Ja, langsam dämmert es mir, dass das wohl doch der Blinddarm sein muss, wenn es nicht etwas an den weiblichen Organen sein soll. Die Nacht ist furchtbar, ich kann nicht schlafen. Nachts ins Spital? Nein, keine Lust, das kann bis am Morgen warten.
Und siehe da, um ca. 6 Uhr lassen die Schmerzen nach und ich kann endlich erschöpft einschlafen.

Nach dem Aufstehen gibt es ein kleines Frühstück, doch so richtig toll finde ich essen nicht. Ich fühle mich einfach nicht gesund. Um 11 Uhr sage ich zu Allan, dass wir doch besser zum Arzt oder ins Spital gehen. Er organisiert schnell ein Auto und wir fahren zur Notfallstation vom Curaçao Medical Center.

Spital in der Karibik

Wir gelangen nach kurzen administrativen Erledigungen und einer Anzahlung in ein Zimmer zu ersten Untersuchungen. Fieber messen, Fragen beantworten, auf den Bauch drücken, rechtes Bein anheben, Blut Entnahme.... der Verdacht auf Blinddarmentzündung besteht, also geht es ab zum Ultraschall.
Hier wird mir schon mal signalisiert, dass der Blinddarm entzündet ist. Weiter geht es mit Warten, doch ich fühle mich gut aufgehoben. Das Spital scheint gut und modern eingerichtet zu sein.

curacao-juni-nelly-spital

Dann kommt ein weiterer Arzt, der verkündet mir, dass der Blinddarm mit einer Operation raus muss. Oder viel mehr der Wurmfortsatz des Blinddarms. Oh nein, eine OP! Der Alptraum eines jeden Mitteleuropäers, wenn er hört, dass er in der Karibik operiert werden muss? Vorurteile?

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Kurz vor 19 Uhr geht es zur Operation, die von einem holländischen Arzt durchgeführt wird. Irgendwann später erwache ich wieder und werde in ein 4er Zimmer gebracht, wo auch Allan auf mich wartet. Doch leider muss dann Allan das Spital verlassen.

Schlaflos durch die Nacht

Meine Nacht wird schlaflos. Mir geht es soweit gut ? stehe wohl unter «Drogen». Doch meinem Gegenüber geht es nicht gut. Es ist eine ältere einheimische Frau, die viel Blut verliert. Die ganze Zeit werden ihr Blutkonserven neu angehängt und unter dem Bett läuft es direkt wieder in einen Auffangbeutel via den Katheter. Das ist meine Sicht als Laie. Mehrfach die Stunde kommt das Pflegepersonal um das Blut aus dem Beutel in einen Behälter zu schütten. Ich sage euch, es gibt schöneres. Irgendwann stellen sie einen grossen Behälter hin, wo es direkt reinläuft. Jetzt tönt es wie bei einem Zimmerbrunnen...

Im anderen Bett schläft ein älterer Mann, der nur noch röchelt.
Und bei mir bringen sie ab und zu eine Spritze Antibiotika, die sie mir intravenös reinjagen. Ach, wie ich das hasse, es tut weh diese Infusion an der Hand.

Am Morgen verschwindet der «Röchler», er wird zur OP weggebracht. Nach 2 Stunden holt das Pflegepersonal noch seine persönlichen Sachen aus dem Zimmer... Warum? Ich hoffe ihm geht es gut.
Die Dame gegenüber von mir mit dem hohen Blutdurchsatz wird gepflegt, gewaschen und sie putzt selber ihr Gebiss vor sich. Ich sage euch, es gibt schönere Anblicke. Doch sie wird offenbar zur dritten Operation in kurzer Zeit abgeholt.

Dann kommt ein Arzt zu mir und teilt mir mit, dass ich heute doch noch nicht nach Hause darf. Der Blinddarm war schon perforiert und ich muss viel Antibiotika erhalten, was bedingt, dass ich noch bleiben und auch unter Beobachtung stehen muss. Das ist jedenfalls das, was ich verstanden habe, denn mit mir wird englisch gesprochen. Klar, zum Glück, denn Papiamentu würde ich gar nicht verstehen.
Obwohl gewisse Wörter wohl sehr international sind. Der Arzt bemüht sich, sich «korrekt» auszudrücken, doch der dumme Tourist (also ich), der beherrscht keine Sprache der Insel und englisch auch nur mit Basics. Doch «Pipi» verstehen dann alle...

So muss ich also noch mindestens einen Tag im Spital verbringen. Ich melde das Allan und er darf am Mittag mich kurz besuchen kommen, wie schön, ich freu mich darüber!
Der Chef Pfleger ? übrigens ist das ganze Pflegepersonal dunkelhäutig und sehr nett. Und die Frauen haben ihre unglaublich aufwändigen aber schönen Braids Frisuren. Sie alle sind schön zum Anschauen, vor allem strahlen sie Zufriedenheit aus, sind unglaublich freundlich und fröhlich. Ich bin nebst den meisten Ärzten in dieser kleinen Umgebung des Spitalzimmers die einzige Weisse. Aber dunkelhäutig oder weiss scheint hier niemanden zu interessieren, was sehr schön ist. Und auch wenn man sich nicht unterhalten kann, ein Lächeln hilft immer.

Meine Infusion ist nicht mehr gut und es muss eine neue gemacht werden. Oh nein! Drei verschiedene Personen «guseln» und stochern während geschlagenen 1.5 Stunden an mir rum. Allan ist noch da, daher sage ich zu ihm «nit vein» (auf Deutsch: nicht angenehm). Da schaut mich die Pflegefrau, welche gerade eine Vene sucht, an und sagt, «ja». Da finden wir heraus, dass das auf Holländisch auch so heisst, wie auf Schweizerdeutsch. Am Ende schafft es der Chef-Pfleger mir eine neue Infusion zu machen, na endlich, jetzt schmerzen die Infusionen auch nicht mehr.

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Der Tag neigt sich dem Ende und ich erhalte mein Abendessen. Ich kann ja zufrieden sein, dass ich in diesem Spital das Essen erhalte. Aber als mir Allan ein Foto von seinem Nachtessen sendet, beisse ich fast in meinen Tisch! Seht selbst, ich eine Brotscheibe, ja, richtig EINE. Und eine Scheibe Wurst und Käse. Und Allan! Oh nein, ich will nachhause!

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Es folgt die zweite Nacht...

Eine junge Frau, die verwirrt scheint, wird ins Zimmer gebracht. Ich interpretiere aus den Papiamentu Gesprächen, dass es eine junge Mutter ist, die einen Unfall hatte. Dann telefoniert sie vermutlich mit ihrer Tochter. Das Wort «Dushi» fällt gefühlte 100mal. Wie schön, sie liebt und wird geliebt, und bekommt Hilfe von ihrer Mutter und ihrem Mann.

Dann wird ein junger Mann ins Zimmer gebracht, ins Bett links von mir. Dieser schläft bald ein. Doch wie aus der Pistole geschossen springt er vom Bett auf und rennt aus dem Zimmer. Wenige Sekunden danach wird er von einer Pflegerin ins Bett zurückbegleitet. Dasselbe Spiel beginnt von vorne und das durch die Nacht mehrfach. Offenbar einer, der unter Drogen und vermutlich noch Alkohol steht... Am Morgen holt ihn seine Mutter ab.

Kein «Schoggi»-Job der Pflegeberuf. Da bin ich wohl eine pflegeleichte Patientin, die nichts sagt und selber aufstehen kann.

Juhuii, heute darf ich nach Hause!

Allan kommt mich abholen, doch leider hat er kein Mietauto erhalten. So verlasse ich das Spital zu Fuss. Mit gaaaanz langsamen Schritten geht es zum Busbahnhof auf der anderen Seite der Stadt und da auf den Bus bis zum Fischereihafen. Doch die grösste Herausforderung ist auf das Schiff zu kommen, denn da steht mir eine längere Dinghi Fahrt bevor. Doch stehend im Dinghi und ganz fest in den Knien sind die Schläge der Wellen für meinen Bauch knapp zum Aushalten. Lustig ist anders. Aber hey, ich bin wieder zuhause und lebe noch! Ich möchte noch immer nicht daran denken, was es für ein Ende genommen hätte, wenn sich mein Blinddarm entschieden hätte, diesen Tanz mitten auf einer Ozeanüberquerung aufzuführen.

Zwei Wochen muss ich mich nun schonen und kann zu Beginn nicht sitzen, also auch nicht Arbeiten. Nach dieser Zeit steht noch ein Kontrollbesuch beim Arzt an. Es fühlt sich komisch an, wenn ich da vom Arzt erneut höre, dass ich Glück gehabt hätte, denn der Blinddarm war schon stark perforiert...

Ach übrigens zu den Vorurteilen. Es war mein erster Spitalaufenthalt, also habe ich keinerlei Vergleiche mit z.B. Spitälern in der Schweiz. Aber ich würde meinen ich bin hier auf Curaçao mindestens so gut behandelt worden wie das in der Schweiz der Fall gewesen wäre. Und der operative Eingriff erfolgte minimalinvasiv!
Ich hätte auf diese Erfahrung verzichtet können, bin aber froh, ist es auf Curaçao passiert und nicht sonst irgendwo auf dem Planeten.

Vielleicht haben sich so manchem Mediziner nun die Haare gesträubt beim Lesen von diesen nicht immer Fachgerechten Ausdrücken, aber so ist das nun mal, wenn ein Laie davon berichtet.
Ich wünsche allen gute Gesundheit!

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